Die Loge zur Einigkeit* und der Eklektische Bund* zwischen 1900 und 1935 Umgang mit der NS-Zeit

Anne Eckerle, Hans Koller

Abstract By Christopher Sicurella[1]

Sr. Anne Eckerle and Bro. Hans Koller both investigated tendencies of adaptation to Nazism in Germany researching documents of the Archive of the "Loge zur Einigkeit" in Frankfurt am Main, Germany, and the profound silence about it after 1945, not as an interpretation ex post, but with regard to sociological and psychological aspects as an interpretation ex ante.

While parts of German Freemasonry have been opposed to aggressive, anti-Jewish, and ultimately ethnic and nazist trends, this was not the case for all.

At the end of the eighteenth century, the interest in Germany increased in the "völkisch" nationalism and became an explosive political category. With the emergence of industrialization, evolutionary theory, and race research, it is differentiated into liberal, conservative-national, culturally critical, racist, annexational, anti-pacifist orientations, all of which are in accordance with the central attribution of a superior German culture and combat power and in their pathos as personal morality and sacrifice. The beginnings of the "völkisch" nationalism at the end of the eighteenth century and in the liberation wars were supported also by masons: Herder, Fichte, Scharnhorst, Freiherr von Stein, Hardenberg were Freemasons. There is a tension between internationalism and the national, which will be discussed in more detail

Both authors have placed great emphasis on a reconstruction of the brothers' world outlook ex ante. The concept of the the "völkisch" nationalism played a particularly important role, until its meaning was redefined by the extreme right after the First World War. The tragedy expressed in this concept is the same rationale in the concept of the national: both expressed the progressive movement of the people against its absolutist rulers.

The article concludes with the question that warns us: Why does the Royal Art not protect us from terrible misjudgments?

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Br. Dr. Bernhard Beyer, Psychiater und Gründer des Freimaurer-Museums in Bayreuth sowie der Forschungsloge Quatuor Coronati, hat die Entwicklung der Logen während der Weimarer Zeit aus der Sicht der Großloge "Zur Sonne" miterlebt. Nach dem Krieg dokumentiert und kommentiert er in seiner Schrift "Ich klage an! Der Abmarsch der drei altpreußischen Großlogen ins nationalsozialistische Lager" die Logenpolitik der Altpreußen. Etwa in der Mitte der Schrift hält er an und fügt eine Stellungnahme ein: "Im Übrigen aber möchte ich an dieser Stelle schon betonen, dass das ungemein beklagenswerte Geschehen in der Geschichte der deutschen Freimaurerei der Jahre 1920 - 1935 nur vom pathologischen Gesichtspunkt aus verständlich ist. Das ganze deutsche Volk war infolge der Menschenopfer und der Hungerjahre des Ersten Weltkrieges, der Hungerblockade noch nach Abschluss des Waffenstillstandes, der gleich nach Friedensschluss einsetzenden Inflationszeit und der nach Beendigung derselben immer schwerer und schwerer werdenden wirtschaftlichen Depression körperlich und seelisch so zermürbt, dass man an die Ereignisse der Nachkriegszeit keine normalen Maßstäbe mehr anlegen kann." In Gesellschaft und Politik hätten sich Menschen durchsetzen können, die in normalen Zeiten keine Chance gehabt hätten. Erstaunlich sei aber, dass dies auch in den Logen geschehen konnte ...[2]

Dieser Erklärung kann man nicht widersprechen, zweifellos sind die Verantwortung tragendenden Generationen in den fünfzehn Jahren zwischen Kriegsende und Machtübernahme existentiellen Bedrohungen und traumatisierenden Erfahrungen ausgesetzt gewesen. Als Argument im Sinne der Statistik ist damit eine Tendenz der Menschen angesprochen, das Früher zurück zu sehnen, für das Gegenwärtige die Schuldfrage zu stellen und das Künftige, wenn notwendig, auch mit außerordentlichen Mitteln herbei zu zwingen. Die historische Analyse der Vorgeschichte des Nationalsozialismus argumentiert in vergleichbarer Weise.

Für die besondere Frage von Br. Beyer - was hätte man von Freimaurern erwarten können - finden wir darin allerdings keine Antwort.

An dieser Stelle ist es notwendig, die ethisch-moralische Bewertung des geschilderten Ablaufs im Eklektischen Bund und seiner freimaurerischen Umwelt zu differenzieren. Die Vorgänge der sogenannten Tarnung und die Leugnung der eigenen freimaurerischen Verpflichtung sind in Br. Höhmanns Darstellung und Wertung erfasst und bedürfen nicht einer erneuten Kommentierung. Wir haben den Ausschnitt des Eklektischen Bundes aus der Aktenlage im (bisher erfassten) Archiv der Loge zur Einigkeit hinzugefügt und damit das bisher bekannte Geschehen ergänzt und differenziert.

Im Folgenden befassen wir uns aber mit dem Syndrom, das bis zuletzt als Frage der nationalen Ehre handlungswirksam ist. Wir haben in diesem Beitrag viel Wert auf eine Rekonstruktion der Weltsicht der Brüder ex ante gelegt. Dabei spielte der Begriff des Völkischen eine besonders wichtige Rolle, bis sein Bedeutungsumfang nach dem Ersten Weltkrieg von der extremen Rechten neu definiert wurde. Die Tragik, die mit diesem Begriff ausgedrückt wird, steckt mit der gleichen Rationale in dem Begriff des Nationalen: Beide drückten die progressive Bewegung des Volkes gegen seine absolutistischen Herrscher aus. Während in Frankreich eine konstitutionelle Situation erreicht werden konnte, ist das in Deutschland zunächst nicht gelungen. Die Dynamik der Bewegung wurde dagegen benutzt und nach Erfolg die Idee des Völkischen an sich zurückkämpfenden absolutistischen Herrscher geheftet. Die Freimaurer verehren ihre Brüder, die die Befreiungskriege gelenkt haben, und sie erkennen ihre Obrigkeit als von Frankreich Befreite, nicht als ihre absolutistischen Unterdrücker. Ihre narrative Version ist: Der Hass auf den Erbfeind definiert die Tugend des völkisch denkenden staatstragenden Bürgertums. Der deutsch-französische Krieg und die jährlichen Feiern zum Sedanstag glorifizieren diese Tugend. Es ist eine Frage der Ehre, eben diese Tugend nicht untergehen zu lassen, nachdem Deutschland durch Betrug von innen und außen besiegt und in den Jahren danach von den Mächten der Entente geknechtet wurde: "Der Zusammenbruch der Front brachte uns tieftraurige Gewissheit: Deutschlands Stern ging unter, und als besiegte Sieger, unter den roten Fahnen der Revolution traten die Heere den Rückmarsch in die Heimat an. Da war nun mit einem Male zu all dem Schweren der Kriegsjahre tiefe Trauer, Leid und bittere Scham gekommen. Aufs schwerste betroffen und innerlich tief gebeugt, rückten die Brüder eng aneinander und im Segen des Leides brachte das gemeinsame Schicksal die Hoffnung auf bessere Zeiten."[3]

Und vier Jahre später, zur Jahresschlussfeier 1923, dem Jahr der Inflation und in der Amtszeit von Br. Bender als MvSt, dichtet ein Bruder den oben bereits zitierten Kettenspruch (siehe Kasten im Abschnitt "Hinwendung der Loge zur Einigkeit zu vaterländischen Prioritäten"):

"Wann wird, o Deutschland, endlich die Stunde der Freiheit Schlagen, das Morgenrot leuchten der glücklichen, besseren Zeit? Tief in der Mitternacht Dunkel, im Unglück befangen, leiden Germaniens Kinder, ersehnen die Boten des Frühlings,

der sich schon anschickt, die Erde aus nächtlichem Eise sieghaft und strahlend zu lösen, zu brechen unwürdige Bande. Noch fehlt uns ein Baldur, ein göttlicher Führer und Streiter, der unser Wesen erneuert, moralische Rüstung uns schmiedet, Deutsch uns lehrt fühlen und Deutsch nur zu sein bis zum Tode. Schenk uns, o Schicksal, den Helden, den Führer zur Freiheit, der uns mit eiserner Hand und mit weisem Beginnen

Einigkeit lehrt und Treue im Dienst unseres Volkes und Landes,

willig die Armut heißt tragen, neu adelt die Arbeit,

der uns der Selbstsucht entäußert, das Ich uns zwingt zu vergessen, Opfer auf Opfer zu bringen zum Wohle des Ganzen.

So nur erretten die Ehre als letztes und köstlichstes Gut wir! ..."

Wir zitieren diese Texte, weil sie wohl nicht die Option offen lassen, unseren Brüdern den Willen zu moralischem Handeln abzusprechen. Sie äußern sich nicht opportunistisch, also tatsächlich wissend, dass andere Richtungen angebrachter, für sie aber nachteilig wären. Die gerade zitierten Auffassungen wurden entweder geteilt oder doch für möglich gehalten. Die Berichte über das Logengeschehen geben keinen Hinweis auf Auseinandersetzungen in dieser Frage. Vermutlich gab es nach dem Vertrag von Locarno in der Frage der Völkerverständigung auch in der LzE abweichende Auffassungen, sie blieben aber in der Minderheit.

Lothar Gall hat 2011 eine Humboldt-Biografie vorgelegt, die ihm Anlass gab, die Entwicklung des Liberalen vom Weltbürgertum zum Nationalen zu schildern. Ein Rezensent bringt seine Ausführungen mit der Schnoddrigkeit, die wir Gegenwärtigen uns im Rückblick leisten, auf den Punkt: "Anhand von Humboldt und seinen freisinnigen Mitstreitern skizziert Gall die geistige Entwicklung des frühen Liberalismus vom Weltbürgertum zum Nationalstaatsgedanken, der einige seiner liberalen Zeitgenossen in deutschtümelnde Narren verwandelte."[4]

Unsere Brüder haben - subjektiv - als Freimaurer moralisch gehandelt. Auch die Pflichtethik Kants hätte sie zu keiner anderen Entscheidung geführt.[5] Sie waren bereit, Opfer zu bringen, ihre Selbstsucht zurück zu stellen, sich in den Dienst des Ganzen zu stellen - gerade darin lag aus unserer heutigen Sicht der Verlust ihrer persönlichen Verantwortungsfähigkeit. Wären sie nur opportunistisch gewesen, könnten wir ihnen Versagen vorwerfen. Das Problem besteht nicht nur darin, dass wir ihnen damit Unrecht täten; wir würden aus dem Geschehen auch nur unzureichend lernen - dass Menschen schwach sind, in der Abwägung zwischen dem Verantwortung für das Ganze und eigenen Nachteilen bzw.

Nachteilen für ihre Familie der Nähe nach gehen. Kurzum, wir würden unsere Auffassung von der Verführbarkeit der Menschen ein weiteres Mal bestätigt sehen.

Wir kommen zu der Auffassung, dass eine Rückbesinnung auf die zentrale Aufgabe der Aufklärung, die Kritik, radikalisiert werden muss; im Sinn Poppers, der als ethische Pflicht setzt, nicht zu glauben, sondern zu zweifeln. Und nicht beim Zweifel zu bleiben, sondern auf Fehlersuche zu gehen, Fragwürdiges dingfest zu machen und die Auffassungen von der Welt, die dadurch unhaltbar werden, zu revidieren. Und der zur Voraussetzung der Fehlersuche macht, dass kein anderer uns hindert, keine staatliche Gewalt und keine Konformismus einfordernde Umgebung. Auf dieser Ebene begegnen sich Popper und Habermas, indem sie zur Voraussetzung des Diskurses die Freiheit von jeder Form der Herrschaft fordern. "Schenk uns, o Schicksal, den Helden, den Führer zur Freiheit, der uns mit eiserner Hand und mit weisem Beginnen Einigkeit lehrt und Treue ..." - nein, wir müssen nicht zur Einigkeit geführt werden, sondern uns zu ihr entschließen, n a c h d e m unsere kritische Prüfung der Sache, der uns anzuschließen wir erwägen, uns keinen Anhaltspunkt gibt, davon Abstand zu nehmen. Leichter ist eine ethische Entscheidung nicht zu haben. Diese Überlegung füllt die Symbole des Zirkels und der Winkelwaage, sie enthält die Anforderungen, die die K.K. an jeden Einzelnen von uns Brüdern und Schwestern stellt. Gebt Acht auf euch selbst!

Andere Brüder haben es besser gemacht, zum Beispiel die Brüder Bangel aus dem Eklektischen Bund und Br. Müffelmann aus der Großloge zur Sonne. Br. Bangel ist von seinen Brüdern angegriffen worden und hat resigniert. Br. Müffelmann hat in der Großloge von Wien und in den Obersten Räten der Schweiz, Frankreichs und der Niederlande eine Umgebung gefunden, mit der seine Ziele übereinstimmten. Der berühmte Brief des Großmeisters von Wien an Br. Beyer, der doch ebenfalls zu den Kritikern der auf die völkische Ebene eingegangenen Altpreußen gehört, zeigt die Unterschiede der Wertentscheidungen zwischen Beiden. [6]

Aber eine angemessene Würdigung der persönlichen Entschlusskraft und Tapferkeit eines Leo Müffelmann - oder eines anderen aus der Sicht ex post richtig handelnden Bruders wäre keine angemessene Antwort auf die hier aufgeworfene Frage, denn sie bliebe stehen bei der persönlichen Größe eines Bruders, und mit ihm der anderen Brüder, für die wir ihn als Beispiel erwähnen. Aber diese Wertschätzung oder der Vorwurf an die vielen anderen, die es nicht so gut gemacht haben, gehen an der zentralen Frage vorbei, nämlich:

Warum schützt uns die K.K. nicht vor schrecklichen Fehlurteilen?


[1] Membro di "Loge zur Einigkeit" (fondata nel 1742) a Francoforte sul Meno - Germania, membro del comitato di redazione di Freimaurer WIKI e Redattore di Critica Massonica.

[2] Beyer, Bernhard, Ich klage an! Der Abmarsch der drei altpreußischen Großlogen ins nationalsozialistische Lager, o.J., S. 62 (Archiv LzE).

[3] MvSt der LzE, Br. Herwig, Jahresbericht 1918/19.

[4] Jaques Schuster, Humboldt war der beste Krisenmanager Preußens. DIE WELT, 28. Dez. 2011. https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article13770527/Humboldt- war-der-beste-Krisenmanager-Preussens.html

[5] Das Handeln der Brüder setzte ihre Mitbürger als Ziel, ihre Maximen galten ihnen als allgemeines Naturgesetz.

[6] https://freimaurer-wiki.de/index.php/Gro%C3%9Floge_Zur_Sonne.

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